Der alte Herr Chlumsky

Was man von Schneidern lernen kann

 

Ich war Student. Jus. In Wien. Und zu dieser Zeit nicht unbedingt der allerfleißigste (wenngleich auch bei weitem nicht der faulste), weil ich auch noch einiges damit zu tun hatte mein Netzwerk zu pflegen, meine önologischen und kulinarischen Kenntnisse zu verbessern und den ein oder anderen Schabernack anzustellen. Ich war Teil der Wiener Jeunesse dorée und hatte ausreichend Gelegenheit, mich mit meiner Clique auch über Feinheiten der besseren Bekleidung zu unterhalten. Genagelte Schuhe, Tweed Sakkos, rosa oder blaue Markenhemden, Schalkrawatten, Tweed- oder Cordhosen waren die Waffe der Wahl um mit den Damen mit den Rollkragenpullis, Perlenketten und Seidentüchern zu verkehren.

Und so kam dann auch einmal die Rede auf den Schneider des Vaters eines Freundes. Der alte Herr Chlumsky, in dessen Atelier im zweiten Stock am Kohlmarkt arrivierte und zumeist ältere Herren der Wiener Gesellschaft Einlass fanden, die Wert auf gut passende Garderobe legten.

Nun war es so, dass allein schon der Preis der Arbeit des alten Chlumsky den Kreis seiner potenziellen Kundschaft maßgeblich einschränkte. Dennoch aber wurde nicht jeder „dahergelaufene Neureiche“ Kunde; der Alte Chlumsky legte auch bei seiner Kundschaft Wert auf Niveau. Und so waren die Herren, die vom alten Chlumsky bedient wurden, zumeist Männer mit Stil, die gewohnt waren, dass ihre Anweisungen sofort und widerspruchslos ausgeführt wurden.

Eines Tages betrat nun, so wurde mir erzählt, der Vater jenes Freundes, ein Selfmade-Millionär und Herrscher über ein internationales Unternehmen, wieder einmal das Atelier des alten Chlumsky.

Dort wurde „der Herr Direktor“ wie immer freundlichst begrüßt und nach dem Befinden der werten Gattin und der Kinder befragt. Als dann der Höflichkeiten genug getauscht waren, stellte der alte Chlumsky die Frage, was es denn diesmal sein dürfte.

Der Vater meines Freundes hatte nun bei einem seiner Angestellten gesehen, dass dieser einen khakifarbenen zweiteiligen Sommeranzug getragen hatte. Und genau so einen wollte er haben.

Als er den Wunsch vernommen hatte, legte der Alte Chlumsky den Kopf schief und meinte: „Nein, Herr Direktor, bittscheen vielmals um Entschuldigung, aber sowas mach ich Ihnen nicht. Da schauen Herr Direktor aus wie ein Hendlfanger.“ Und damit hatte sich das Thema für den Meister erledigt.

Nun, der Vater des Freundes war etwas verdutzt, aber musste respektieren, was ihm gesagt wurde. So ging er zum zweiten seiner Wünsche: Ein Smoking. Ganz klassisch sollte er sein, gerade, mit einem Kummerbund. Und mit Schalkragen.

Da legte der alte Chlumsky den Kopf wieder in Schräglage und meinte: „Selbstverständlich, Herr Direktor, ein feiner Smoking. Aber bittscheen, nicht mit einem Schalkragen, der betont nur ihren kurzen dicken Hals. “

Und schon orderte der Herr Direktor den Smoking. Natürlich ohne Schalkragen. Und ohne nach dem Preis zu fragen.

Nach ein paar weiteren Höflichkeiten verließ er dann das Atelier. Dankbar, im Wissen, dass der alte Chlumsky wieder einmal Recht hatte und im Gefühl, von einem wahren Meister seines Faches vor übelsten modischen Entgleisungen bewahrt worden zu sein.

An den alten Chlumsky, Gott hab ihn selig, muss ich nun immer dann denken, wenn wieder ein Klient zu mir kommt mit einem Auftrag und ich dann nach einem ersten Abmaß mehr oder weniger direkt sage, dass ich den Auftrag nicht oder nicht so ausführen werde, weil ich überzeugt bin, dass er den wahren Interessen des Klienten zuwiderläuft.

Juristische Unterstützung gibt es als Maßarbeit und als Konfektion. Aber zum alten Chlumsky wäre auch keiner gegangen um mal schnell ein möglichst billiges T-Shirt zu kaufen.

 

Zitat DOL

Aus der Sicht eines Arbeitsrechtsanwalts

Dominik Leiter plaudert aus dem Nähkästchen

 

Eine Deiner fachlichen Schwerpunkte ist ja das Arbeitsrecht. Warum eigentlich?

Eigentlich unbeabsichtigt, weil ich als Konzipient am Anfang in einer Kanzlei tätig war, die Arbeitnehmer vertreten hat. Und diese Kompetenz bin ich später in der Großkanzlei nie wieder los geworden. Für Transaktionsanwälte war Arbeitsrecht lange Zeit gar kein Rechtsgebiet in dem Sinn. Und daher war derjenige, der davon auch nur ein wenig Ahnung hatte, immer der Spezialist. Und das blieb so, auch als ich dann schon einiges an Expertise erworben und Massenkündigungen von mehreren tausend Mitarbeitern, Outsourcing ganzer Konzernbereiche und andere Großprojekte zu betreuen hatte.

Mich hat aber am Meisten der Umgang mit Menschen interessiert und zu sehen, welche Auswirkungen die eigene Arbeit auf Menschen hat. Und das ist zum Beispiel im Umgründungssteuerrecht jetzt nicht so der Fall.

Arbeitsrecht ist aber keine Stand-Alone-Materie. Wer im Transaktionsbereich den Ablauf und die Dokumentation nicht versteht, kann auch keinen sinnvollen arbeitsrechtlichen Input liefern. Wer bei internen Untersuchungen weder den Ablauf noch den Untersuchungsgegenstand versteht, kann nicht mit den betroffenen Mitarbeitern umgehen. Und wer mit Compliance nicht umgehen kann, kann keine Lösungen finden, die HR und Legal-Abteilung zufriedenstellen.

 

Was sind die häufigsten Themen, denen man sich als Arbeitsrechtsanwalt so zu stellen hat?

Nun, einerseits Gerichtsverfahren. Oft geht es dort um Themen im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, etwa Kündigungsanfechtungen oder Schadenersatzforderungen. Richtig zur Sache geht es in der Regel dann, wenn mehrere Mitarbeiter betroffen sind, was schnell passieren kann, wenn es strukturelle Themen betrifft. Viele Streitigkeiten sind eigentlich unnötig, und deshalb werden auch viele schon in der ersten Verhandlung verglichen – was gut ist, denn Gerichtsverfahren gerade im Arbeitsrecht binden Ressourcen auf beiden Seiten, die man viel besser einsetzen kann. Aber manche Streitigkeiten müssen auch geführt werden und die mit allem Nachdruck.

Andererseits – und das ist der weitaus überwiegende Teil der arbeitsrechtlichen Arbeit bei Weisenheimer Legal – ist es die rechtliche Unterstützung von HR-Abteilungen und Arbeitgebern bei der Bewältigung der arbeitsrechtlichen Themen – Dienstverträge, Betriebsvereinbarungen, Bonusmodelle, In- und Outsourcingprozesse, Massenkündigungen, aktuell auch Kurzarbeitsanträge und vieles andere mehr. Und jetzt auch die Umstellung ganzer Entlohungssysteme, wie jetzt unter dem Handels-Kollektivvertrag.

 

Betreut Weisenheimer Legal nur Arbeitgeber oder auch Arbeitnehmer?

Manche Kollegen vertreten ausschließlich Arbeitgeber, schlicht, weil die Beratung für Arbeitnehmer sehr teuer ist und oftmals von der Arbeiterkammer übernommen wird. Wir haben das früher auch gemacht und nur für Arbeitgeber oder das höhere Management gearbeitet, aber wenn uns Arbeitnehmer wirklich brauchen und wir Sinnvolles bewirken können, übernehmen wir dann auch gerne die Vertretung des Arbeitnehmers.

 

Welche Tätigkeiten mag ein AR-Anwalt am liebsten, welche am wenigsten?

Nun, es sind an sich dieselben Tätigkeiten, die man am meisten hasst und am meisten liebt. Nämlich die, wo es besonders menschlich zugeht. Es macht einen schon betrübt, wenn man Menschen kündigen muss, die dann vor dem Nichts stehen und die nichts dafür können. Gleichzeitig ist es aber gerade dort, wo man sich auch erfolgreich einbringen kann um menschliches Leid im Interesse aller Beteiligten zu lindern.

 

Wie kann man Mandanten am meisten unterstützen?

Es hilft schon sehr, wenn man schon länger gemeinsam arbeitet. Das macht die Prozesse effizient, man kann aber auch einschätzen, was der Klient tatsächlich will. Von der Form her (man kann ja rechtliche Empfehlungen in zwei Sätzen formulieren oder in 20 Seiten) oder von den Resultaten her.

Am Wichtigsten ist es aber, seine Klienten zu verstehen. Und das ist oft gar nicht so leicht. Weil man dazu oft Fragen stellen muss, die von Anwälten nicht erwartet werden. Und auch den Auftrag, der einem erteilt worden ist, hinterfragen muss.

 

Arbeitsrecht ändert sich laufend, neue Gesetze kommen hinzu … Rsp. Wie hält man sich da am Laufenden?

Nun, Fortbildung ist Pflicht. Auch wenn sich die Herangehensweise dazu im letzten Jahr erheblich geändert hat. Nicht nur weil Präsenzveranstaltungen nicht stattfinden, sondern auch weil sich vieles im Recht sehr schnell ändert, schneller als zuvor.

Früher war ich auf 4-5 Konferenzen im Jahr, um dort einiges dazuzulernen zu neuen Trends, aktuellen Entwicklungen oder Methoden. Im letzten Jahr sind diese alle ausgefallen und haben zum Teil nur online stattgefunden.

 

Ist ein internationales Netzwerk wichtig?

Ja, immens. Sehr oft sind in der Praxis Sachverhalte grenzüberschreitend geworden, vor allem wenn Mitarbeiter im Konzern tätig sind oder entsendet bzw überlassen werden. Und oft gibt es auch Themen, wo man Kollegen aus anderen Ländern beiziehen oder mit ihnen arbeiten muss, etwas bei internen Untersuchungen, oder bei konzernweiten Vertragswerken und -mustern, aber auch bei Transaktionen, die über die Landesgrenzen hinausgehen. Das Arbeitsrecht ist ja selbst innerhalb Europas noch recht unterschiedlich gestaltet. Und deshalb betreuen wir unsere Netzwerke recht ausführlich.

 

Was hat sich für Arbeitsrechtsanwälte durch Corona geändert?

Für uns wenig. Wir waren bei WL vor Corona schon sehr mobil und flexibel, auch und gerade im Arbeitsrecht. Am Anfang war der Workload durch Corona recht massiv; insbesondere die Kurzarbeit hat uns beschäftigt und einiges an Kündigungen. Was man aber derzeit stark bemerkt ist, dass das Klima in vielen Betrieben rauher geworden ist. Einerseits aus Mangel an Aufträgen und Cash Flow mit den damit verbundenen Einsparungsmaßnahmen, andererseits aber auch, weil Home Office und Kurzarbeit den persönlichen Umgang ersatzlos einschränken. Was angesichts dessen, dass viele Arbeitnehmer ohnehin schon einiges an Themen zu bewältigen haben, ganz erheblich negative Auswirkungen hat. Und daran gilt es in den nächsten Jahren stark zu arbeiten.

 

Zitat DOL

Martina Flitsch

Im Fokus: Martina Flitsch

Was war deine größte Motivation Anwältin zu werden?

Ehrlich gesagt war es nie mein Ziel Anwältin zu werden, es hat sich vielmehr zufällig so ergeben. Im Nachhinein bin ich dafür sehr dankbar, weil ich mir keinen spannenderen und abwechslungsreicheren Beruf vorstellen kann – jeder Tag ist anders und voller neuer Herausforderungen.

 

Was war bisher die größte berufliche Herausforderung?

Es ist sehr schwierig einen Einzelfall hervorzuheben, aber eine Transaktion ist mir besonders in Erinnerung geblieben, bei der ich eine Mandantin beim Verkauf ihres Anteils an einer ausländischen Fluglinie vertreten habe. Wir haben über Monate verhandelt und auf der Gegenseite waren verschiedene Anwälte und Berater am Verhandlungstisch – meine Mandantin wurde hingegen nur von mir alleine vertreten. Nach unzähligen Verhandlungsrunden und mehreren Verhandlungsabbrüchen haben wir dann schlussendlich zu nächtlicher Stunde doch gesigned. Als ich am nächsten Tag die Glückwünsche von diversen Entscheidungsträgern aus dem Konzern meiner Mandantin erhalten habe, mit denen ich vorher nie Kontakt hatte, war ich doch ein bisschen Stolz, dass mir das gelungen ist.

 

Was war die beste Entscheidung in deiner beruflichen Laufbahn?

Die beste Entscheidung war sicherlich, mich auf Aviation und Tourism zu spezialisieren. Die Luftfahrt ist sehr komplex und man muss auch als Anwalt über ein entsprechendes Fachwissen verfügen. Ich finde die Luftfahrt wahnsinnig spannend und arbeite auch sehr gern international.  Ich bin nun seit 1995 in der Luftfahrt tätig und muss sagen, dass das Sprichwort, wer einmal Kerosin geschnuppert hat, von der Luftfahrt nicht mehr los kommt, auf mich voll zutrifft. Und dabei habe ich gar keinen Pilotenschein.

 

Auf was möchtest du in deinem Leben nicht mehr verzichten?

Auf die Freiheit in der täglichen Arbeit – abgesehen davon, dass man sich natürlich nach Mandanten und Terminen richten muss, ist es bei uns „Weisenheimern“ eine Selbstverständlichkeit, dass jeder für sich entscheidet, wann, wo und wie viel er arbeitet. Auch in Zeiten vor Corona war es bei uns üblich, dass jeder dort arbeitet, wo er es möchte. So richtig ausgenutzt hat das nur mein Kollege Robert, der die meiste Zeit im schönen Tessin verbringt und uns in Video-Besprechungen vor Neid erblassen lässt, wenn er uns den strahlend blauen Himmel und den glitzernden See im Hintergrund zeigt.

 

Welches Buch würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?

Wenn ich so nachdenke, würde ich keine Lieblingsbücher mitnehmen, oder Bücher die ich schnell ausgelesen habe. Wenn ich wirklich auf einer einsamen Insel wäre, würde ich sehr gerne alle Bände des Herders Conversations-Lexikons aus dem Jahr 1906 mitnehmen. Die acht Bände stammen von meinen Ur-Urgroßeltern und stehen im Regal neben meinem Schreibtisch. Von Zeit zu Zeit blättere ich in diesen Büchern herum und denke mir, wie schön es wäre, mehr Zeit für solche Dinge zu haben.

 

Martina Flitsch

Recht praktisch: Autonomes Fahren in Österreich

Rechtslage in Österreich. Immer wieder hört man Berichte über Innovationen im Bereich selbstfahrender Autos und sieht Videos von deren Einsatz auf den Straßen – meist jenseits des Atlantik. Nun prescht allerdings die deutsche Bundesregierung vor. Sie beschloss im Februar den vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur erarbeiteten Gesetzesentwurf, der „einen zentralen nächsten Baustein“ darstellen soll, „um das autonome Fahren in die Praxis zu bringen“. Das Gesetz soll bis Mitte 2021 im Bundestag beschlossen werden und Deutschland zum ersten Land weltweit machen, das fahrerlose Kraftfahrzeuge im Regelbetrieb erlaubt.

Einparkhilfe und Autobahn-Assistent

So weit, so gut für unsere Nachbarn, doch wie sieht die heimische Rechtslage aus? Hier ist vor allem ein Blick in die „Automatisiertes Fahren Verordnung“ zu werfen, in der zum einen die Rahmenbedingungen für das Testen der neuen Technologien festgelegt werden, zum anderen auch bestimmt wird, welche Systeme im Regelbetrieb eingesetzt werden dürfen. Erlaubt sind demnach die Einparkhilfe und der „Autobahn-Assistent mit automatischer Spurhaltung“. Die Einparkhilfe befreit den Lenker von seiner Verpflichtung, sich im Fahrersitz zu befinden und zumindest eine Hand am Steuer zu haben. Er muss sich allerdings weiterhin in unmittelbarer Nähe zum Fahrzeug befinden und den Ein- oder Ausparkvorgang überwachen. Bei dem Autobahn-Assistent mit Spurhaltung handelt es sich im Prinzip um eine Kombination aus Spurhalteassistent und Abstands-Tempomat. Da dabei beide Hände vom Lenkrad genommen werden dürfen – und zwar im Gegensatz zu den Programmierungen vieler Autohersteller ohne zeitliche Beschränkung – kommen wir dem autonomen Fahren aus den bekannten Videos schon etwas näher. Diese Systeme dürfen allerdings nur auf Autobahnen oder Schnellstraßen und nicht im Baustellenbereich verwendet werden. Außerdem muss der Lenker jederzeit wieder das Steuer übernehmen, sobald es zu einer „kritischen Situation“ kommt und Spurwechsel sind selbst durchzuführen.

Es bleibt abzuwarten, ob sich die österreichischen Verantwortlichen vom deutschen Vorhaben inspirieren lassen und ebenfalls bald Rahmenbedingungen für das autonome Fahren erarbeiten. Die rechtlichen, technischen und ethischen Fragen rund um diese Thematik werden uns jedenfalls noch länger begleiten.

 

Der Autor: Dominik Leiter ist Rechtsanwalt und Partner bei Weisenheimer Legal in Wien

Den Originaltext finden Sie hier.