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The legal basis and the transferability of passenger rights

Zur Rechtsnatur und der Übertragbarkeit von Fluggastrechten

Der Europäischen Gerichtshof (EuGH) entschied im Fall C-11/23, dass das Recht auf Ausgleichsleistungen bei Flugannullierungen unmittelbar aus der Verordnung (EG) 261/2004 abgeleitet wird und nicht von etwaigen zwischen Passagieren und Airlines abgeschlossenen Beförderungsverträgen abhängig ist. Somit wird klargestellt, dass Passagiere unabhängig von etwaigen vertraglichen Bedingungen einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen haben, sofern ihnen diese nach der Fluggastrechte-Verordnung zustehen.

Des Weiteren stellte der EuGH klar, dass Klauseln in Allgemeinen Beförderungsbedingungen (ABB), die die Abtretung von Fluggastrechten einschränken, als unzulässige Limitierung der Rechte dieser Fluggäste zu betrachten und daher nichtig sind. Der EuGH betonte weiters, dass es zur Sicherstellung eines hohen Schutzniveaus von Passagieren notwendig ist, deren Freiheit zu entscheiden, wie sie ihre Ansprüche geltend machen möchten, zu wahren. Dies umfasst (unter Beachtung der Bestimmungen des jeweils anwendbaren nationalen Rechts) auch die Abtretung ihrer Rechte an Dritte.

Genauere Informationen zu der Verwendung von ABB in Österreich finden sich in unserem Artikel „Allgemeine Beförderungsbedingungen in Österreich“.

Für Fragen zu Passenger Claims in Österreich steht Ihnen unser erfahrenes Aviation Team gerne zur Verfügung.

Urteil zu ABB

Urteil zu den ABB einer ungarischen Airline

Der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) hat kürzlich ein neues Urteil (4 Ob 222/22h) zu den Allgemeinen Beförderungsbedingungen (ABB) einer ungarischen Airline veröffentlicht und damit zahlreiche der darin verwendeten Klauseln als rechtswidrig beurteilt. Dieses Urteil ist das Jüngste einer Vielzahl von Urteilen, die bereits gegen Luftfahrtunternehmen und die von diesen verwendeten ABB geführt wurden.

Das Verfahren wurde als sogenannte „Verbandsklage“ von der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte als nach dem Konsumentenschutzgesetz (KSchG) klageberechtigter Verband eingeleitet und zielte darauf ab, der Airline die Verwendung bestimmter Klauseln in ihren ABB zu untersagen. In seiner über 100 Seiten langen Entscheidung behandelte der OGH zahlreiche Klauseln und liefert so wichtige Anhaltspunkte für sämtliche Airlines, die in Österreich tätig sind.

Da die klageberechtigten Verbände, allen voran der Verein für Konsumenteninformation (VKI) und die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, jederzeit Verbandsklagen gegen in Österreich tätige Luftfahrtunternehmen erheben können (und dies auch regelmäßig tun), sind Airlines gut beraten, dieses neue Urteil zum Anlass zu nehmen, ihre eigenen ABB zu überprüfen. Genauere Infos zu der Vorgehensweise der zur Verbandsklage berechtigten Verbände, dem System der Überprüfung von ABB in Österreich und den hierbei angewendeten Kriterien finden sich in unserem Artikel „Allgemeine Beförderungsbedingungen in Österreich“.

Zu den Klauseln, deren Verwendung der OGH nunmehr untersagt hat, gehören insbesondere die Folgenden:

  • Haftungsausschluss für zerbrechliches Gepäck
  • Rechtswahlklausel zu Gunsten des ungarischen Rechts
  • Möglichkeit der Umbuchung auf ein alternatives Beförderungsmittel
  • Einschränkung der Rechte nach der Verordnung (EG) 261/2004 („Fluggastrechte-Verordnung“)
  • Einreichung von Entschädigungsansprüchen ausschließlich über die Website der Airline

Unser erfahrenes Aviation Team beantwortet gerne Ihre Fragen zur Verwendung von Allgemeinen Beförderungsbedingungen in Österreich, überprüft Ihre ABB, um das Risiko eines Gerichtsverfahrens zu verringern und übernimmt Ihre Vertretung vor Gericht.

Allgemeine Beförderungsbedingungen in Österreich

Allgemeine Beförderungsbedingungen in Österreich

Neben der stets zunehmenden Fallzahl von Passenger Claims sind in Österreich aktive Airlines oft auch mit Beschwerden von Verbraucherschutzorganisationen bezüglich ihrer Allgemeinen Beförderungsbedingungen (ABB) konfrontiert. Insbesondere der Verein für Konsumenteninformation („VKI„) ist in dieser Hinsicht in Österreich sehr aktiv und prüft routinemäßig die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verschiedener Unternehmen – einschließlich ABB von in Österreich tätigen Fluggesellschaften.

Enthalten die ABB Klauseln, die der VKI für rechtswidrig hält, fordert er die betroffene Airline in der Regel zunächst auf, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Damit soll sie sich verpflichten, diese Klauseln nicht mehr zu verwenden und im Falle eines Verstoßes eine Vertragsstrafe an den VKI zu zahlen.

Weigert sich das Luftfahrtunternehmen, eine solche Unterlassungserklärung zu unterschreiben, folgt in der Regel eine Klage des VKI auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung in der meistgelesenen Zeitung Österreichs auf Kosten der Fluglinie.

Im Rahmen des Verfahrens prüft das zuständige Gericht jede Klausel der angefochtenen ABB anhand der folgenden Kriterien:

Überraschende und nachteilige Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts

§ 864a des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) besagt, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (wie ABB) enthaltene Klauseln ungewöhnlichen Inhalts, die für die andere Partei überraschend und nachteilig sind, nicht zum Vertragsbestandteil werden.

Solche Bestimmungen können jedoch gültig sein, wenn die Partei, die sie in ihren AGB verwendet hat, die andere Partei ausdrücklich auf die Verwendung dieser Bestimmungen hingewiesen hat.

Gröblich benachteiligende Klauseln

Nach § 879 Abs 3 ABGB sind in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Klauseln, die nicht eine der von einer Partei zu erbringenden Hauptleistungen betreffen, unwirksam, wenn sie eine Partei gröblich benachteiligen.

Die österreichischen Gerichte legen die Ausnahme für Hauptleistungen sehr eng aus, was dazu führt, dass die Bestimmung grundsätzlich auf alle Klauseln anwendbar ist, die nicht die individuelle Beschreibung von Art, Umfang und Qualität der Hauptleistungen betreffen. Die Beurteilung, ob eine Klausel gröblich benachteiligend ist, erfolgt in der Regel durch einen Vergleich mit den dispositiven Bestimmungen des österreichischen Rechts und einer Abwägung der Interessen der Parteien.

Verletzung des Transparenzgebots

Das österreichische Konsumentenschutzgesetz (KSchG) sieht mehrere Arten von Klauseln vor, die für Verbraucher nicht verbindlich sind. In § 6 Abs 3 KSchG ist zusätzlich festgelegt, dass Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Wortlaut unklar ist, wenn ihr Inhalt für den Verbraucher nicht ohne weiteres verständlich ist oder wenn sie die Rechtsposition des Durchschnittsverbrauchers unzutreffend wiedergeben.

Beispiele von Bestimmungen, die laut der Judikatur gegen das österreichische Recht verstoßen

Da bereits zahlreiche Gerichtsverfahren zu ABB in Österreich geführt wurden, besteht eine umfangreiche Sammlung von Klauseln, die nach Ansicht österreichischer Gerichte gegen österreichisches Recht verstoßen. Dazu gehören insbesondere die folgenden Klauseln:

  • No-Show-Klauseln[1], die sich nicht auf Fälle der absichtlichen Umgehung des Tarifsystems durch Fluggäste beschränken[2],[3],[4]
  • Reklamationen von Fluggästen werden nur akzeptiert, wenn sie per E-Mail, Online-Formular oder Fax eingereicht werden[5]
  • Die Flugdaten können sich nach der Buchung ändern (ohne Festlegung, wann dies passieren kann)[6]
  • Die Rückerstattung des Flugscheins erfolgt nur an die Person oder das Reisebüro, die bzw. das den Flug gebucht hat, oder an das Kreditkartenkonto, das zur Zahlung des Flugpreises verwendet wurde[7]
  • Die Beförderung wird verweigert, wenn der Flugcoupon erheblich beschädigt oder nachträglich abgeändert wurde[8]
  • Beschwerden müssen vom Fluggast selbst eingereicht werden, und er muss mindestens 28 Tage auf eine Antwort warten, bevor er Dritte beauftragt, seine Ansprüche in seinem Namen geltend zu machen[9]
  • Zusätzliche Gebühr für Check-ins am Flughafen, auf die nicht gesondert hingewiesen wurde[10]
  • Frist von zwei Jahren für Schadenersatzansprüche jeglicher Art[11]
  • Ansprüche dürfen nur an andere Passagiere der gleichen Buchung oder Reisegruppe abgetreten werden[12]
  • Klauseln, die Fluggäste unvollständig über ihre Rechte nach dem Montreal Übereinkommen oder der Fluggastrechteverordnung informieren[13][14]

Verstößt eine Klausel nach Ansicht des Gerichts gegen österreichisches Recht, so hat dies zunächst zur Folge, dass die Fluggesellschaft den Prozess verliert und somit verpflichtet ist, die Verwendung dieser Klausel zu unterlassen, der Gegenpartei ihre Anwaltskosten (in einem gewissen Umfang) zu erstatten und für eine Veröffentlichung des Urteils in einer österreichischen Zeitung zu sorgen. Andererseits wird die betroffene Bestimmung als nichtig angesehen, was zur Folge hat, dass Fluggäste nicht an sie gebunden sind.

Fluggesellschaften müssen wachsam bleiben

Aufgrund der routinemäßigen Überprüfung der Allgemeinen Beförderungsbedingungen durch Verbraucherschutzorganisationen müssen Fluggesellschaften, die in Österreich tätig sind, besonders auf den Inhalt ihrer ABB achten, um Gerichtsverfahren, Kosten und nicht zuletzt negative Publicity zu vermeiden.

Unser Aviation Team ist erfahren im Umgang mit derartigen Fällen und beantwortet gerne Ihre Fragen zur Verwendung von Allgemeinen Beförderungsbedingungen in Österreich, überprüft Ihre ABB, um das Risiko eines Gerichtsverfahrens zu verringern und übernimmt Ihre Vertretung vor Gericht.

 

Die pdf-Version unseres Artikels zu Allgemeinen Beförderungsbedingungen in Österreich finden Sie hier.

 

[1] Unsere detailliertere Analyse von No-Show-Klauseln in Österreich (basierend auf Gerichtsverfahren, an denen unser Aviation Team direkt beteiligt war) finden Sie hier.

[2] Brussels Airlines, OLG Wien, 10.07.2019, 129 R 56/19g.

[3] KLM, OLG Wien, 11.06.2019, 1 R 73/19s.

[4] Lufthansa, OGH, 20.04.2021, 4 Ob 63/21z.

[5] Laudamotion, OLG Wien, 23.2.2021, 2 R 48/20y.

[6] Laudamotion, OGH, 18.03.2022, 6 Ob 127/21a.

[7] SWISS, OLG Wien, 04.11.2022, 2 R 106/22f.

[8] Lufthansa, OGH, 20.04.2021, 4 Ob 63/21z.

[9] Laudamotion, OLG Wien, 23.2.2021, 2 R 48/20y.

[10] Laudamotion, OGH, 27.02.2020, 8 Ob 107/19x.

[11] Lufthansa, OGH, 20.04.2021, 4 Ob 63/21z.

[12] Laudamotion, OLG Wien, 23.2.2021, 2 R 48/20y.

[13] Lufthansa, OGH, 20.04.2021, 4 Ob 63/21z.

[14] Laudamotion, OGH, 18.03.2022, 6 Ob 127/21a.

No-Show Clauses in Austria

Is there a future for No-Show Clauses in Austria?

Over the last years, consumer protection agencies throughout the European Union have made continued efforts to prevent the use of so called No-Show Clauses, which are commonly used by airlines in their general conditions of carriage. In Austria, this led to several court proceedings in which rulings effectively restricting the use of No-Show Clauses were issued. This, in turn, prompted many airlines to adapt their clauses in order to comply with the court practice. This article seeks to give a brief overview of the topic and the future of No-Show Clauses in Austria against the backdrop of the most recent ruling of the Austrian Supreme Court in case 4 Ob 63/21z.

What is a No-Show Clause?

Airlines use complex pricing systems to allocate specific ticket fares to individual passengers. The ticket fare a passenger is charged depends, inter alia, on the specific itinerary he or she chooses. This is because, on the one hand, passengers are willing to pay higher fares for direct flights; on the other hand, fares are generally dependent on the respective place of departure. As a result, the ticket fare for a flight booked e.g. from Warsaw to New York with a stopover in Vienna will probably be offered for a lower fare than a direct flight from Vienna to New York. Another example would be roundtrips (e.g. with the flight legs Vienna – New York – Vienna), which are often offered for a lower price than one-way tickets.

However, airlines experienced some passengers using the pricing system to their advantage by e.g. booking a flight from Warsaw to New York with a stopover in Vienna instead of a (more expensive) direct flight from Vienna to New York despite their residence in Vienna and their intention to only be transported from Vienna to New York. Other passengers book a roundtrip and intentionally “miss” the second flight leg. Some travel agencies even specialize in getting the cheapest ticket fares possible for their customers by circumventing the pricing system in this way.

As a reaction, airlines implemented so called No-Show Clauses in their general conditions of carriage stipulating that passengers will be denied boarding or have to pay an adapted fare when they do not use all flight legs (i.e., in our examples: when the passenger does not board the flight from Warsaw to Vienna or misses his or her second flight leg from New York to Vienna).

How are No-Show Clauses challenged by consumer protection agencies?

Since No-Show Clauses are usually implemented in an airline´s general conditions of carriage, several organizations have the right to challenge them according to Austrian consumer protection provisions. Especially the “Verein für Konsumenteninformation, VKI” and the “Bundesarbeitskammer” are quite active in this regard.

These two organizations are regularly screening general terms and conditions used by several companies including general conditions of carriage used by airlines operating flights to or from Austria for clauses which they deem to be unlawful, especially by arguing that such clauses are surprising and disadvantageous for consumers or grossly disadvantageous. If a clause is deemed to be unlawful, the airline usually receives a letter from the consumer protection body or its lawyer demanding that the airline in question immediately refrains from using the “unlawful” clause, together with a cease and desist declaration secured by a contractual penalty.

One aspect that is often criticized by our clients is that normally the consumer protection agencies are neither willing to discuss the lawfulness of the respective clause nor to work together to find a solution that takes into account the positions of both the consumer and the airline. They rather only give airlines the options to either sign the cease and desist declaration within (usually) 14 days or be confronted with court proceedings.

How are No-Show Clauses viewed by Austrian courts?

Austrian courts regard No-Show Clauses to be void especially when they are deemed to be either surprising and disadvantageous for the consumer or grossly disadvantageous. While the “surprising” character of a No-Show Clause may be avoided by implementing certain measures in the booking process to ensure that passengers are duly informed, it is rather challenging for airlines to formulate No-Show Clauses that are not regarded as grossly disadvantageous but are still effective.

The Austrian Supreme Court first had to deal with No-Show Clauses in 2012 (4 Ob 164/12i, a case in which our partner, Martina Flitsch, was directly involved). While the Supreme Court explicitly acknowledged the airline´s legitimate interest to implement and protect its pricing system, it regarded the No-Show Clause the airline used to be too extensive and, therefore, grossly disadvantageous. This view was adopted and further developed in several other Supreme Court rulings with the latest one being 4 Ob 63/21z from 2021.

As a reaction, several airlines operating flights to and from Austria adapted their conditions of carriage in order to comply with the criteria set forth by Austrian court practice. Therefore, nowadays the consequence of not using all flight legs is usually a recalculation of the ticket fare or a lump sum that must be paid. Additionally, many No-Show Clauses now explicitly state that they do not apply in cases of force majeure, illness or, in general, when the reasons for the passenger not using all flight legs are not attributable to him or her.

What does the future hold for No-Show Clauses in Austria?

The latest decision of the Austrian Supreme Court (4 Ob 63/21z) dealt with a No-Show Clause that has obviously been designed to comply with the Austrian court practice. However, despite careful drafting, the clause was finally regarded as grossly disadvantageous to the consumer and, therefore, void. The Supreme Court emphasized the necessity to differentiate between passengers that are deliberately circumventing the pricing system and passengers that are not using all flight legs for any other reason.

In practice, it is foreseeable that it will be particularly challenging for airlines to successfully determine on a case by case basis if a passenger is circumventing the pricing system, especially when this decision must be made very quickly before boarding is denied. Especially with regard to the Regulation (EU) 261/2004 and the organizations specialized in representing passengers in cases of denied boarding, the risk of lawsuits and court proceedings, in which airlines have to prove that the denied boarding has been justified, is rather high.

Despite the many challenges airlines face when it comes to No-Show Clauses in Austria, it is, in our opinion, rather unlikely that airlines will refrain from using them. As explained, No-Show Clauses are an essential tool to ensure the functioning of an airline´s pricing system, which is a vital part of an airline´s business model.

Therefore, airlines must remain vigilant and keep an eye on ongoing developments such as new court decisions in order to avoid being confronted by consumer protection agencies or finding themselves in court proceedings which, while causing substantial workload and legal fees, have limited chances of success. In such cases, it is certainly not a mistake  to engage a reliable legal advisor who is experienced in dealing with consumer protection agencies and handling passenger claims.